Mein Okto-Berlinale-Blog: Cyrill Tuschi, Я люблю тебя (jedenfalls den Film)

Es wurden schon im Vorfeld die Nachrichten gefüllt: Bei dem Berliner Filmemacher wurde eingebrochen und Laptops mit etwa 100 Stunden Filmmaterial gestohlen. Man munkelte, es sei die russische Mafia gewesen, wenn dem so ist, wird das Material schwer wiederzukriegen sein. Zum Glück war die Kopie schon beim Festival eingetroffen:

Cyrill Tuschis
Doku KHODORKOVSKY. Die beste Nachricht zuerst: Der Film war 100% 3D-frei. Ferner nicht unwitzig, da sehr persönlich, zum Beispiel, wie Tuschi versucht, mit der Putins Sekretärin einen Termin zu vereinbaren, oder wie er mit Dostojevski daherkommt, nachdem ihm die Behörden empfohlen hatten, doch ieber einen FIlm über die russische Landschaft zu machen oder über russische Literaten. Der Film war überdies lehrreich, denn nebenbei erfährt man, wie in Russland nach 89 einfach so im Vorbeigehen die Kaste der Oligarchen entstand. Hätte die Russische Regierung nicht ihr Tafelsilber und ihre Bodenschätze an ihre ehemaligen Haberer verteilt, für einen Apfel & ein Ei, wohlgemerkt, denn in den frühen 90ern gab es ja noch keine Bourgeoisie und noch kein Kapital, dann hätte sie das gute Zeug an die Ausländer verscherbeln müssen. Die sicherlich Weltmarktpreise gezahlt hätten und schon ringsumher in den Stфкеlöchern scharrten. Indem die Russen sich an ihre eigenen Leute hielten, die man aus irgendwelchen Kadern der Nomenklatura kannte, haben sie sich auch oft verkannt: So auch in Michail Khodorkovsky, ehemaliger Chemie-Student, Komsomolsk, und, soweit im Film auftretend, sehr charmant und bescheiden. Der 8.-reichste Mann der Welt. Der reichste unter 40. Aber keiner, der im Versace Anzug daherkommt und österreichische Schlösser im Wodka-Taumel demoliert.

Khodorovsky gründete eine Bank und ersteigerte die Ölfirma Yukos, und ein paar Jahre später, 2003, wird er inhaftiert und nach Sibirien geschickt. im letzten Jahr hat er noch einmal 6 Jahre aufgebrummt bekommen. Warum? Nun, Tuschi ist liebevoller Beobachter und findiger Recherchierer, aber Richter zu sein maßt er sich nicht an. Es gibt ein paar Hinweise im Laufe der Doku, dass es sich um einen Titanenstreit shakespearschen Ausmasses handeln könnte, eine erbitterte Rivalität zwischen Wladimir Wladimirowitsch Putin und Khodorkovsky, aber der Zuschauer kann sich darin einspinnen – oder auch nicht. Dazwischen sehen wir wieder ein paar wunderschöne sibirische Landschaften, und dann erfahren wir, dass Putin mit seinen Oligarchen einen Deal hatte: Keine Politik. Verdient lieber Geld. Keine Politik.
Khodorkovsky, der ein paar seiner Milliönchen in Schulen und Ausbildungseinrichtungen steckte, traf sich mit den Opositionellen rund um Kasparov. Dann wieder wunderschöne russisch Landschaft, und dann Ex-Kanzler Schröder, der zum Thema Khodorkovsky meint, die Deutschen dürften nicht mit moralischem Zeigefinger auf russische Menschenrechtsverletzungen zeigen, die Deutschen schon gar nicht. Das im Fernsehen. Ein paar Monate, bevor er sich als Gasprom-Gehaltsempfänger outete.

Also ich hoffe sehr, dass Okto, für die ich ja auf der Berlinale akkreditiert bin, den Film ausstrahlt, und hier noch ein sehr unscharfes Foto vom Filmemacher auf der Pressekonferenz.
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Und nochwas: Weil wir grad bei Russen und bei Shakespeare waren: Weder Ralf Fiennes‘ Coriolan-Verfilmung noch der russische Wettbewerbsbeitrag V‘ Subotu, eine Tschernobyl-Schmonzette, sollen Augenweiden sein. Ich hab beide verpasst (Im Wettbewerb lauern heimtückisch 3D Filme) aber heute sprach ich mit gut gebildeten Kollegen, richtigen Filmjournalisten, und die runzelten stark die Augenbrauen. „You know, I am not a critical person. I enjoy movies. I watch every crap. But this – it was like strawberries in wasabi…“

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