Das Pentamerone Projekt.

Das Dekameron von Boccaccio, geschrieben Mitte des 14. Jahrhunderts, gilt als Zündfunke der Renaissance. Es versammelten sich 10 Leute, um sich 10 Tage lang Geschichten zu erzählen. Deka heißt zehn. In Florenz wütete die Pest, ein schneller Tod. Binnen 3 Wochen war ein Drittel der Bevölkerung Geschichte. Geschichten waren der letzte Trost, der erste Hoffnungsschimmer. Boccaccios Dekameron hatte uns inspiriert, uns 5 Tage lang Geschichten zu erzählen. 3 Männer, 2 Frauen. Und 250.000 Liter Wein.

Fabio freut sich auf den Jahrgang 2020.

Also flogen wir über das Mittelmeer zu Raimond, in die Provence. Nun gut, wir haben ja keine Pest, sondern so eine Art Baby-Pandemie, aber man fühlt sich schon etwas terrorisiert. Eine Flugreise ist da schon ein Orgasmus der besseren Sorte. Und weil es ja eine Dienstreise sein musste (da muss man nicht in Quarantäne) hab ich das Pentameron-Projekt vorangetrieben. Penta heißt fünf.

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Ich kann die Geschichten nicht alle hier aufschreiben, es wäre ein Roman. Vielleicht schreibt ihr ihn selber, wenn ich die Stichworte liefere.

  1. N: Glück kommt etymologisch von Gelukke. Dieses Wort bezeichnet das junge, frische Grün, auf das sich die Hühner stürzen, wenn sie das erste Mal im März aus dem Stall kommen.
  2. R: Risiko ist das schönste Spiel der Welt.
  3. Ich: Kann man von meinem Morgen-Urin einen Vollrausch bekommen?
  4. C. tanzt. Weil Männer und Frauen sollten nicht reden, sondern tanzen.
  5. N: Sündigen heißt, laut etymologischem Wörterbuch: Das Ziel verfehlen.
  6. Ich: Einen Donauwalzer durchtanzen, das können nur 50 Paare in Wien. Rein konditionsmäßig.
  7. N: Es ist 23.46 Uhr und das ist doch eine Ü 58-Party?
  8. Fabio meint, in seiner Genueser Familie ist man lieber tot als lebendig. Er ist aus der Familie der Fabier, also aus Rom.
  9. Freddy Buscaglione, schauen Sie mal auf Youtube.
  10. Die Großmutter sperrte immer Katzen in die Zimmer des Schlosses. Waren die Katzen weg, wusste sie, dass jemand stöbern war.
  11. N: Wenn man einmal eine Austernvergiftung hatte, rührt man nie wieder eine Auster an.
Sparsam mit Austern sein. Lieber Seeigel.

12. R. arbeitet an der Börse in Paris. Die Toiletten in der Börse waren groß und gut dekoriert, wie Ballsäle, weil da hat man Liebe gemacht oder Geschäfte. Oder, wenn keines von beiden klappte, Drogen genommen.

13. N. besucht R. in Macon, wo dieser seinen ersten Job als Burgundischer Weinhändler hatte. R. hat eine 4-Zimmerwohnung, in dreien dieser Zimmer wohnen leere Weinflaschen. N. will die Flaschen irgendwann entsorgen, aber R. bricht in Panik aus: Bitte, ich muss mich doch an den Rausch erinnern. Da brauche ich das Etikett .

14. C. reflektiert, dass sie niemals anlassig ist. Ich bin ständig anlassig, aber es kommt auch nicht viel dabei raus.

15. F. meint, er findet das ganze Gschisti-Gschasti um den Wein entsetzlich. Es geht doch nur um die Wirkung und um wenig Schädelweh.

16. Ich: schon zwei Nächte im Öl, und jeden Morgen stehe ich um 7 auf und geh 2 Stunden spazieren. Guter Wein, pure Energie, kein Gift. Hinter den provencialischen Felsen warten Ruinen von griechischen und römischen Siedlungen, von der Natur angegriffen, aber nicht besiegt.

17. N. rezitiert Dante: Die Hölle ist die Abwesenheit von Liebe.

18. Ich: Wir leben momentan in einem Krankenhaus und dürfen nicht sterben. Alles fing mit dem Rauchverbot an, damit begann das Nicht-Sterben-Dürfen. In Ländern, wo gearbeitet wird bis zum Umfallen, wie China oder Taiwan oder Indien, da darf man noch rauchen. Warum will man uns dabehalten, was soll das?

Da freut sich jemand auf den Tod. Und das Leben davor.

19. N: Das Jahr 2020 ist das Jahr der Lügen.

20. Als wir abreisten, war St. Patricks Day und kein Irish Pub in Europa hatte offen. Gottlob hat C. ein Sixpack Guinness besorgt, und wir haben auf einem schaurigen Betonpfeiler in Wien-Schwechat das irische Nirwana zitiert. Man kann ja nicht alle Kultur verschwinden lassen.

21. Ich gestehe, dass mir die Gottesfurcht das Leben erleichtern würde. Aber, woher soll ich die mir jetzt nehmen?

22. R. erzählt vom Besuch des Marktamtes. jede Flasche, jedes Fass wurde kontrolliert. War eh alles in Ordnung, aber die Zeit, die Aufregung…

23. F. meint, der Webshop wäre der Antichrist.

24. Ich: wie schön ist es hier in der Provence, ihr seid alle so bibelfest hier.

25. N.s Großvater ist mit 89 wieder verliebt. „Ich verstehe das mit den Frauen nicht, aber es ist soooo schön.“

Die Erzähler in Aubagne. Alle rauchen, alle trinken Suze und alle haben schwarze Schuhe an. Und Fabio ist schon wieder in Genua.

Voila, Mesdames, Messieurs, faite vos Romains. Romane sind Geschichten mit irgendwie Liebe drin. Ce sont 25 Idées au mémoire de Boccaccio, Decamerone. Und dann musste ich noch eine Geschichte von Oskar Maria Graf erzählen, aus dem Bayerischen Dekameron…

https://www.youtube.com/watch?v=XIb598mZAvE

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