Ich war in München. Geschäftlich. Ich brauchte Anregung bezüglich irdischer Lebenslust. Ich bin ja in Bayern geboren, da sollte man überdies 1, 2 Mal im Jahr in die heimatliche Hauptstadt fahren.
Zu Beginn erfrischte ich mich mit einem Weißbier im Pschorr am Victualienmarkt 15.
Das ist das Logo vom Pschorr – erinnert ziemlich an Lenin und die große Zeit des früh-sovietischen Grafik- Designs. Dem Pschorr sein Logo – ist das nicht eine Huldigung an die Hoffnung des Kommunismus, dass alles geteilt wird, das Weissbier zum Beispiel?
Aber bei einem Weissbier will man ja nicht stehen bleiben.
Ich war in Begleitung von „Harry Potter and the deadly Hallows“, den ich von Jürgen N. bekommen hab – im schicken erstverkaufs-Tags-Sackerl, der Roman ist mindestens 50 Weißbiere lang.
Und weil wir grad bei Literatur sind – in München fühl ich mich immer wie der Herr Permaneder. Sie wissen, der 2. Ehemann von Toni Buddenbrook. Toni Buddenbrook hat Herrn Permaneder nach ihrer missglückten Ehe mit Herrn Grünlich geheiratet.
Herr Grünlich war sehr peinlich, er hat immer gesagt „das putzt ganz ungemein“, und Toni war unglücklich. Nach der Scheidung, die natürlich eine Schande war, hat sie nach München geheiratet, um doch noch ein stilles häusliches Glück zu finden. Herr Permaneder hat sich aber ebenfalls als Flop entpuppt, weil er sich mit ihrer Mitgift gleich zur Ruhe gesetzt hat und nicht zuhause aufzufinden war. Er weilte lieber tagein, tagaus im Wirtshaus. Die Wirtshäuser sind auch sehr attraktiv in München.
Hier eine sehr attraktive Kellnerin im Hofbräuhaus, wo ich nach dem Pschorr ein Verdauungs-Weissbier zu mir nahm.
Eine schöne Sitte im Hofbräuhaus sind diese grossen schmiedeeisernen Gestelle, in denen die Stammgäste ihre eigenen Masskrüge einsperren, damit sie über Nacht nicht gestohlen werden. Ja, hinter Nr. 18 schimmert der Kini durch, Ludwig II, der Vielgeliebte.
Die Masskrüge werden natürlich von Permaneder-Vater auf Permaneder-Sohn vererbt.
Permaneder hat ja ethymologisch etwas mit Dauer, Aussitzen und so zu tun. Etwas Ewiges. All dies hat eigentlich nur Gutes, weil das Buddenbrooksche Mitgift, die da Tag für Tag ins Hofbräuhaus haus getragen wird, sorgt dort immens für Pracht und Schönheit.
Was hätte ich an Toni’s Stelle gemacht hätte, wenn ich mit Herrn Permaneder verheiratet gewesen wäre? Müssig, darüber nachzudenken, ich bin ja selber mein eigener Permaneder. Meine Mitgift vertrink ich selbstredend selbst.
Ein prächtiges Stammlokal wie das Hofbräuhaus bringen nur Gäste zuwege, die gut verheiratet oder unabhängig sind. Wer unter dem Pantoffel steht und nur sporadisch vorbeikommt, um an einem neoliberalen Wellness-Getränk zu zutzeln, kann keine solchen Deckenfresken finanzieren. Als Gattin oder Eltern muss man da eigentlich nachsichtig sein.
Zurück zu Herr Permaneder: Wenn man allzu lange geblieben ist oder ein sonstig schlechtes Gewissen der Gattin gegenüber hat, kann man im Hofbräuhaus ein günstiges Mitbringsel für daheim erstehen. Ein Herz zum Beispiel.
2 Euro 90 fürs Herz – das schmälert eine Buddenbrooksche Mitgift ja nicht wirklich. Dafür bekommt man sonst hier nicht einmal eine Fritattensuppe! Grad mal eine Weisswurst!
Das Weisswurst-König-Ludwig-Arrangement auf der Speisekarte freut einen schon sehr. Die weissen Kerzen in den Kastanien sind übrigens keine Blüten, sondern Bier-Rettiche!
Nun war es Zeit, zum Zug nach Wien zu trollen – ein kleiner Spaziergang über die Kauffinger Strasse tut gut. Ein Blick in die Jesuitenkirche St. Michael, wo unser guter Kini bestattet ist, auch. Allein, sie verlangen Euro 2.- für den Besuch der Wittelsbacher-Gruft! Da bin ich doch lieber zum Abschluss noch mal in die Augustiner-Stuben geschlüpft!