Die Nationaltheater-Mannschaft und der Münchner Parsifal.

Wenn der Fußball ermüdet, dann auf nach München. Gestern war die Generalprobe, Freitag ist Premiere!

Oper ist ja wie Fußball- bloß in einer anderen Liga. Nicht so körperlich. Eher imaginativer Hochleistungssport. Doch was Cristiano Ronaldo mit dem Ball kann, das kann Kyrill Petrenko schon lange mit dem Taktstock: die Leute zur Raserei bringen.

Nach den magischen Worten „zum Raum wird hier die Zeit“ senkt sich ein Vorhang und das Orchester bricht auf wie eine Kamelienblüte im Frühling. Entfaltet eine Kraft, verführt durch verwirrend schöne, hierarchielose Vielstimmigkeit, es bleibt einem die Spucke weg. Die Besetzung war ebenfalls erstklassig, die Münchner haben halt Ehrgeiz! Jonas Kaufmanns Debüt in der Titelrolle, im Volumen sich langsam steigernd, so wie der Held der Geschichte auch nur sehr langsam an Selbstbewusstsein zunimmt. Der Furien-Sopran von Nina Stemme, ein herzzerreißender Amfortas, Klingsor nicht weniger berührend. Nun zur Inszenierung: ja, Baselitz hat in die Vollen gegriffen und ein Gesamtkunstwerk abgeliefert, in unbehauener Leidenschaft, mit den Mitteln der Arte Povera. Das meiste steht auf dem Kopf, auch der Gral. Ein Köhler-Meiler. Düstere Bäume, ein Wald wie bei Macbeth.

Reizvoll wird es ,wenn die Bäume sich bewegen, drehen, glitzern in ihrer Schwärze. Als ob sie bald nach Dunsinane aufbrechen wollten. Hat sich der Regisseur in der Oper geirrt? Nun, Parsifal handelt ja auch von einem Usurpator, Machtergreifer, wenn man so will. Zur Gralsenthüllung warfen die Ritter dann ihre Mäntel ab und erschienen nackt. Eine inszenatorische Standard-Situation, etwas mehr Körperlichkeit in die Fleischeslust-Verweigerung des Parsifal zu bringen. Aber auch völlig ironisch: Der Chor ist gar nicht nackt, er trägt die Kostüme nackter alter Männer.  Auch die Blumenmädchen in Klingsors Zaubergarten warfen ihre Kimonos ab, sie trugen überdimensionierte Fat-Suits, mit riesigen Busen und hängenden Hintern, handgemalt von Baselitz selber, mit roten Vulvas und grauen Falten, die gar nicht zu ihren jungen, frischen Gesichtern passten. Ja, da fiel es Parsifal natürlich leicht, nein zu sagen und den schmerzenden Wunden der Liebe zu entgehen. Es geht ja immer darum, den schmerzenden Wunden der Liebe zu entgehen, die Zurückweisung zu vermeiden, den höheren Sinn zu finden. Zum Ende stand wieder alles auf dem Kopf, wie es die kosmische Ordnung so vorgesehen hat. Oder der kosmische Saalordner Pierre Audi, der seinem Baselitz freie Hand bei der erschreckenden Verdunkelung des Erlösung-Auswegs gelassen hatte.

Übrigens war tout Monaco da, sogar die guten Wagner-Schwestern Nike und Daphne. (über die bösen Wagner-Schwestern in Bayreuth gibt’s ja schon einen Blog.) Vor dem Nationaltheater standen die Leute Schlange, mit ihren „Suche Karte“-Schildchen. Der Opernbauch war randvoll, wie als ob es kein publik Viewing gäbe.

 

Zum Bild: Blumenmädchen 1, Blumenmädchen 2, Blumenmädchen 3.

(Bevor sie alle Hüllen fallen lassen)

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Blob

Schreibe einen Kommentar