Vorgestern gab es Geschichte als Vorspeise.
Als Hauptgang Kreisler und Caesar Cui,
Danach ein prachtvolles Chicken Curry.
Zur Geschichte. Oder zu den Geschichten. Christian Zillner las aus seinem Epos „Spiegelfeld“, im Beisein etlicher Spiegelfelds.
Elf Bände, jeder einem anderen Zeitalter und anderen Vorfahren der zeitlos-paradigmatischen Familie Spiegelfeld gewidmet. Man hört im ersten Band von Kindern, die im 10. Jahrhundert von Südtirol nach den Insel Reichenau im Bodensee wandern, nur weil sie dort eine Schulbildung in Aussicht haben. Auf der Reise, kein Spaziergang, wechseln sich das nackte Grauen mit den totalen Katastrophen ab. Düsterer kann ein Mittelalter nicht sein.
Im letzten Band, in den 90ern des letzten Jahrhunderts, stirbt ein Graf Spiegelfeld auf einer Wolga-Kreuzfahrt, bei dem Kinderspiel „die Reise nach Rom“. Er überließ seiner Gattin den letzten Sessel und sank zu Boden und starb. Dazwischen gehts bergauf und bergab, teils wahr, teils erfunden, teils richtig gut erfunden. Die Spiegelfelds sind bessere Leute, ohne Zweifel, aber eigentlich sind sie erst ab dem 17. Jahrhundert in die Nomenklatura aufgestiegen.
Davor muss es trotzdem irgendwelche Ahnen gegeben haben, Mongolen, Beguinen, Mürzzuschläger. Die kann man sich ausdenken, wenn man in Geschichte bewandert ist, so wie Christian Zillner. Der wusste auch zu berichten, dass die Familie eigentlich Matz-Spiegelfeld heißt, und im für den Adel so harten Jahr 1919 mit der Drohung konfrontiert war, zu nackten Matzen zu verkommen. Allein, sie kämpften, vielleicht bestachen sie sogar, und so verschwand das Matz, damit das Spiegelfeld nur umso heller erstrahlte.
Ich glaub, die wünsch ich mir nächstes Jahr zu Weihnachten. Denn man glaubt ja, laut Christian Zillner, wieder vermehrt an einen Herodotschen Geschichtsbegriff. Weg mit fen Fakten, her mit den Mythen. Sie müssen nur einem Zweck dienen, nämlich Furcht, Mitleid und Identifikation erwecken. Gelungen. Und schön sehen sie auch noch aus, erschienen, hört, im Dornröschen – Verlag.