Der Wunsch, dem geschätzten Leser möglichst viel Abwechslung zu bieten, spornte uns zu einer neuen Folge „Die Sparpaket-Lokale Wiens“ an. Mit bekannt schlechten Fotos, aber genial netten Beschreibungen.
Da S. von einer langen Reise mit dem Flugzeug zurückkam und jetlägerig war, nahmen wir uns diesmal seine unmittelbare Nachbarschaft vor. Das bunte Quartier Lerchenfelderain, zwischen Lerchenfelder Straße und Neustiftgasse.
Auswahlkriterien waren wieder: Günstig, muss aber nicht gut sein.
Wir starteten im Kultur-Café Dialog.
Oh Jemineh, wie bieder ! schüttelten wir uns. Das klang doch sehr nach Migrationsweibchen und saftlosen Wienerinnen, die dem Häupl aus der Stadtkasse einen Obulus abgeschwarzt hatten, wegen Integrationsfeigenblatt etc. Die Furcht, sich dauernd kultiviert zu unterhalten und nix da mit sich einfach kulturlos zuschütten ergriff uns- aber wir dachten, da wir ja noch stocknüchtern waren, sind wir noch dialogfähig. So betraten wir mutig diesen Ort der Zivilisation. Aber, wer sagt’s denn: Eine echte Laser-Show in Grün und Rot und Blau !
Die Chefin hatte sehr viel Aufmerksamkeit auf ein stimmiges Farbkonzept gelegt, das Türkis der Aschenbecher harmonierte sehr gut mit dem Türkis der Wandverbauung. Wir vermuteten, dass Türkis auf griechischen Migrationshintergrund hinweisen könnte, wurden aber von Chefin, Chef und anwesenden Gästen eines Besseren belehrt: es ist kurdisch. Griechische Farben wirken nur so frisch und mediteran, deshalb.
Deshalb beredeten wir dialogmäßig noch kurz die Griechisch-Europäische Situtation, die PKK, die Dialekte und die dialogische Dialektik Deutschlands und Österreichs – in Bezug auf Kontakt ist das Kultur-Café Dialog echt kein Etikettenschwindel.
Man kommt ins Gespräch. Dann nahmen wir noch ein Achterl und dann noch einen riesigen Teller frisch gemachtes Hummus, dann bekamen wir zum Kosten noch ein gefülltes Weinblatt spendiert, und – ja, ganz super. Das Achtel kostet 1,60 – aber vom Feinsten !
Aber wir wollten ja weiter.
Über die Strasse leuchtete uns Frido entgegen. Und obwohl S. mich am Ärmel zog, und wirklich mit Körpereinsatz versuchte, mich davon abzuhalten, stürmte ich dem „Gemütlichen Pub“ entgegen. Ich sollte es bitter bereuen.
Dieses Bild sagt alles aus: Himmel und Hölle liegen eng beieinander. Ich war entzückt von Fridos Bierdeckel-Sammlung – aber die super-langstieligen Weihngläser hätten mir zu denken geben sollen. Wein in Out-Kneipen darf maximal seinen Schwerpunkt 8 cm über dem Tresen haben.
Ja, er war grottenschlecht. Kostet genauso 1,60 wie im Kulturcafé, war aber von der Art, die nie einen Weingarten gesehen hat. Wir versuchten zu trinken, indem wir uns die Nase zuhielten, um die Mischung aus Moderkeller und Formaldehyt wenigstens olfaktorisch auszuschalten, allein, es nutzte nix.
Frido soll jetzt nicht am Europäischen Gerichtshof wegen Rufschädigung klagen: Wer Bier mag, ist sicher dort gut aufgehoben. Wein – niemals. Aber Bier. Die Bierdeckelsammlung ist übrigens sehr lustig.
Wir ließen 3/4 des Achtels stehen und suchten das Heil in der Flucht in die Neustiftgasse. Unter uns: die unwirtlichste Strasse Wiens. Den Charme von Bukarest und die Grazie von Sofia wird man hier vergeblich suchen. Immerhin gibt es für Ästhetikgeschädigte die Apotheke.
Ich sag ja immer, mit 50 steht man am Scheideweg. Links ins Wirtshaus, rechts in die Apotheke.
Wie gut, wenn da ein Wirt steht mit Apotheke drauf.
In der Apotheke ist es so dunkel, dass man die liebevolle Deko nicht erkennen kann: Die ganze Decke ist mit Psychopharmaka-Schachteln ausstaffiert. Was für eine tröstliche Idee. Die Gäste sind aufgereiht und haben ihre eigenen Whiskey-Flaschen, wo der Name draufsteht, falls man mal nicht in der Lage ist, die Flasche an einem Abend zu leeren.
Aber weil das Achterl 1,70 kostet, zogen wir gleich weiter. Zu Claudia. Ein klassisches Non-Profit Lokal.
Allen 7.- Bezirklern kann man Claudia nur ans Herz legen. Man findet das Lokal, indem man von der Neustiftgasse zur Lerchenfelder geht, und die erste Stichstraße nach rechts abbiegt. Das Lokal heißt Bernhard (typisch Claudia, die Herren haben immer Vortritt) und es ist sowas von geputzt und gepflegt, dass man nur den Hut ziehen muss.
Claudia bringt einem das Achterl (1,30, sehr gut !) und deutet an, dass das die letzte Runde ist, weil sie ja Frühdienst hat. Während sie einem noch 2 Achterl bringt, bringt sie das Lokal auf Vordermann. Das im Übrigen voll besetzt ist, was das Putzen erschwert.
Wir machten auch da nette Bekanntschaften, unter anderem eine Dame im besten Alter, die in Claudias Haus wohnt. Sie beklagte sich, dass schon Claudias Vater keinen Aufzug eingebaut hat, als Aufzug-Einbauen noch 200.000 Schilling gekostet hat. Heute kostet Aufzug-Einbauen 200.000 Euro, aber mit 1,30 pro Achterl (Selbstkostenpreis) ist der Aufzug natürlich wieder in weite Ferne gerückt. Die Dame wird wohl dem Gesundheitssystem mit einer Hüftoperation zur Last fallen. Wir finden das auch irgendwie besser, als Claudia zu einem Kredit zu zwingen.
Außerdem besuchten wir noch eine 5. Kneipe, schräg vis-a-vis von Claudia, aber da hat dann das Iphone beim Fotografieren versagt und so richtig nett war es auch nicht.
Ich fiel in ein Taxi und anderntags konnte ich feststellen, dass der Abend (inklusive Taxi ) 21 Eulen gekostet hat. Also: Auf in den 7. Bezirk.